Gerade die Advents- und Weihnachtszeit ist voller Traditionen. Lichterketten, Kekse backen, Adventskränze und Weihnachtsbäume sind dafür die gängigsten Beispiele. Und dann gibt es dann auch noch die speziellen, wie zum Beispiel das an Heiligabend unbedingt Kartoffelsalat und Würstchen gegessen werden, dass man bestimmte Weihnachtsfilme schaut, die Familie besucht, Weihnachtskarten schreibt und so weiter.
Traditionen sind etwas vertrautes. Man kann sich auf sie verlassen, sie geben unserer Zeit Struktur und machen uns zufrieden, wenn sie gut laufen. Aber sie können auch belastend sein und Druck bedeuten. Manchmal merken wir gerade kurz vor den Feiertagen, wie sehr uns Traditionen festlegen. „Das haben wir immer so gemacht“ klingt dann weniger tröstlich als vielmehr einengend. Was passiert, wenn etwas nicht so gelingt wie geplant? Wenn jemand fehlt, die Kraft nicht reicht oder die Freude sich nicht einstellen will?
Der Blick auf den vierten Advent lenkt unseren Fokus noch einmal neu. Er erinnert daran, dass die Adventszeit vor allem Erwartungszeit ist und nicht die perfekte Vorbereitung auf ein Fest. Die biblische Adventsgeschichte erzählt auch nicht von idealen Umständen. Maria und Josef erleben Unsicherheit, einen beschwerlichen Weg und eine Geburt fern von zuhause. Und doch kommt Gott genau dort zur Welt, dort im Unfertigen und Ungeplanten.
Vielleicht ist das eine heilsame Unterbrechung unserer Traditionen: Gott bindet sich nicht an unsere Rituale. Er kommt auch dann, wenn etwas anders läuft als gewohnt. Wenn wir Traditionen sein lassen. Der Prophet Jesaja bringt diese Hoffnung auf den Punkt: „Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und ein Helfer.“ (Sacharja 9,9)
Dieser Satz erzählt nichts von Traditionen oder Ritualen, die unbedingt eingehalten und gehalten werden müssen. Er spricht nicht von Glanz und Perfektion, sondern von einem König, der zu uns kommt, der uns hilft und uns trägt. Die Adventszeit lädt uns ein, unsere Traditionen nicht als Pflicht zu verstehen, sondern als Angebot. Sie dürfen Halt geben, sie dürfen uns Freude bereiten und uns ein gutes Gefühl geben, aber sie müssen nicht alles leisten. Sie machen Weihnachten nicht zu Weihnachten, denn die Geburt Jesu findet ohnehin statt.
Vielleicht ist dieser Samstag vor dem vierten Advent eine gute Gelegenheit, kurz innezuhalten und zu fragen: Was tut mir wirklich gut? Wo darf ich loslassen? Und wo kann ich Raum lassen für das, was Gott mir schenken möchte und das ganz unabhängig davon, ob alles „wie immer“ läuft?
Denn manchmal liegt die größte adventliche Hoffnung genau darin, dass Gott auch jenseits unserer Traditionen ankommt. Bleiben Sie behütet!
Keno Eisbein, Pastor der Luther-Kirchengemeinde Soltau