Ich bin an einem der Orte, an dem der Nikolaus alles einsackt. Gelesen hatte ich davon in einem Werbeprospekt. Von Montag bis Samstag müsste ich ihn hier antreffen. Sonntags hat er wohl Ruhetag. Sechs Tage arbeiten und einen Tag ausruhen, ein guter Plan. Der Nikolaus kennt sich aus mit Work-Life-Balance. Jedenfalls in diesem Jahr. Heute ist Samstag, der 6. Dezember, sein Tag! und meine Chance ihm bei der Arbeit persönlich zu begegnen. In ordentlicher Dienstkleidung, mit Bischofsgewand, Bischofsmütze und Bischofsstab.
Voller Vorfreude bewege ich mich durch Gänge mit gefüllten Regalen. Vorbei an allem, was man so zum Leben braucht oder auch nicht und die Geldbörse mir ermöglicht. Nur den Nikolaus, den treffe ich nicht. Schade! Wie gerne hätte ich mich bei ihm persönlich bedankt für meinen heute Morgen gefundenen Schuh. Gefüllt mit Süßem und Nussigem und Fruchtigem. Sogar ein kleines Geschenk war dabei. Scheinbar ist der Nikolaus ein Nachtarbeiter, der es immer wieder schafft, meinen Tiefschlaf in der Nacht zum 6. Dezember heimlich zu nutzen, um mich am Morgen zu überraschen. Unfassbar, dass ihm das seit meinen Kindheitstagen gelingt, in denen auch ich versucht habe, die Menge der Gaben durch die Größe meines aufgestellten Schuhs zu vervielfachen.
Heute stelle ich keinen Schuh mehr auf. Trotzdem leuchten am Nikolausmorgen meine Augen. Denn bis heute kommt der Nikolaus jedes Jahr in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember in unsere Häuser. Er tut dies heimlich und verborgen. Bringt Apfel, Keks und Süßigkeiten und so manche Kleinigkeit. Myra war sein Heimatort. Dort predigte er Gottes Wort und sah und hörte, was Groß und Klein bewegte. Sein Herz war groß. Allen Menschen sollte es gleich gut gehen, das war sein Lebensmotto. Benachteiligte Menschen und Kinder waren ihm besonders wichtig. Es machte ihm großen Spaß sie immer wieder zu beschenken. Vieles erzählt man sich von ihm. Einmal herrschte in Myra eine große Hungersnot. Da redete Nikolaus so lange auf die Kaufleute ein, die mit einer Getreidelieferung in Myra Station machten, dass sie einen Teil des Getreides zur Rettung der Bevölkerung in der Stadt ließen. Zu ihrer Überraschung fehlte später bei Auslieferung an ihren Chef kein einziges Gramm. Man erzählt sich auch, dass ein armer Nachbar des Nikolaus, der kein Geld hatte seinen drei heiratsfähigen Töchtern die Hochzeit zu bezahlen und sie weiter zu ernähren, diese einfach rausschmeißen wollte. Da warf Nikolaus heimlich dreimal nacheinander einen Beutel mit Goldstücken durch das Fenster, hinter dem die Mädchen schliefen und richtete damit jeder die Hochzeit aus.
Warum er sich so verhielt?
Der Bischof Nikolaus fühlte sich von Gott reich beschenkt. Aus Dankbarkeit darüber, dass er alles hatte, was er zum Leben brauchte, konnte er nicht anders als diejenigen zu beschenken, denen es nicht so gut ging wie ihm selbst.
Allen Leser*innen einen friedlichen, entspannten 2. Advent und einen beschwingten Start in die neue Woche. Bleiben Sie behütet und Gott befohlen.
Ruth Litzen, Diakonin für Kirche unterwegs im Südsee-Camp