Bleibt zuversichtlich!
Ein Winzling treibt uns um und bringt alles ins Stottern: SARS-CoV-2, Covid 19, Corona. Der Winzling lehrt mich neue Worte: Basisreproduktionszahl, Manifestationsindex, Durchseuchung, Systemrelevanz. Er zwingt mich zu neuem Verhalten: Abstandhalten, Home-Office, Käsekauf mit Maske, Videokonferenzen. Niemals zuvor habe ich über Wochen keinen Gottesdienst gefeiert.
Das Virus ist neu. Das Phänomen nicht. Schon immer gab es Epidemien mit apokalyptischem Umfang. Albrecht Dürers berühmter Holzschnitt Die vier apokalyptischen Reiter (1498) entstand unter dem Eindruck einer Pestepidemie in Europa. Neu ist das globale Ausmaß. Neu ist für die meisten von uns die persönliche Betroffenheit.
Wir dachten, wir hätten alles im Griff. Klimakrise, Flüchtlingsströme, Kriege - selten traf es uns wirklich persönlich, die Probleme waren in weiter Ferne. Fast immer konnten wir weitermachen, als wäre nichts geschehen.
Das ist jetzt anders. Prägende Sicherheiten brechen weg. Grundfragen des Lebens tauchen auf. Fragen nach Existenz, Sinn und Relevanz. Es sind gesellschaftlich die massivsten Veränderungen, die ich jemals erlebt habe. Ungewissheit schürt Ängste. Wir wissen, was wir tun sollen und müssen. Aber wir wissen nicht, ob das reicht und wann es wieder besser wird. Das Geflecht von Gewohnheiten, das uns Sicherheit gab, ist verloren gegangen oder ausgesetzt worden. Ein Riss geht durch unser Weltengeschehen.
Woran halten wir fest? An abflachenden Infektionskurven. An sachlichen Informationen. An einer behutsamen Sprache, die nicht stigmatisiert, sondern Gefährdete in den Blick rückt: Altgewordene. Kinder. Menschen, die ihre Existenzgrundlage verloren haben. An einer neuen Wertschätzung, die sich Bahn bricht: Menschen in unterbezahlten Berufen sind plötzlich „systemrelevant“. Das kann nicht nur eine Momentaufnahme sein.
Ich habe früher unter meine Briefe immer geschrieben „Bleibt behütet!“ In diesen Tagen schreibe ich „Bleibt zuversichtlich!“ Ich merke: Es geht darum, nichts gering zu achten und Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen. Es geht darum, seinen Platz neu zu finden. Es geht darum, Demut und Dankbarkeit neu zu lernen. So viele gute, kreative Zeichen der Nächstenliebe haben die letzten Wochen geprägt. Und so vieles ist mir treu geblieben: Die Musik, die Literatur, die Natur, freundliche Anrufe, sorgende Briefe.
Nach vielen trockenen Wochen habe ich in diesen Tagen wieder einen Regenbogen gesehen: „Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“ spricht Gott im ersten Buch der Bibel (1. Mose 9,13). Das Symbol des Bundes zwischen Gott und uns. Es schenkt mir Hoffnung. Und es verpflichtet zur Hoffnung. Zu einem Vertrauen, dass das, was wir tun, zu einem guten Ausgang führen wird. Also bleiben wir zuversichtlich!
Ihr
Ralf Meister
Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers