
Die Zweige des kleinen Apfelbaumes im Garten biegen sich bis auf den Boden. Einige Äpfel sind schon heruntergefallen. Aus dem Fallobst ist Saft eingekocht. Das erste Apfelgelee im Keller eingelagert. Noch hängt der Baum über und über voll. Rot leuchten die Früchte in der herbstlichen Sonne. Es ist Zeit sie abzuernten, einzulagern, Vorrat anzulegen.
Am Sonntag feiern wir in den Kirchen Erntedankfest. Die Altäre werden geschmückt mit Erntegaben. Dank- und Loblieder werden gesungen. Ein Sonntag zum Danken für alles, was Gott schenkt. Die Ernte auf den Feldern, alles, was uns leben lässt und alles, was unser Leben reich macht.
Voll Dank erklingt der Psalm des Sonntags: Alle Augen warten auf dich und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Die alten Worte, die viele als Tischgebet gelernt haben. Manche werden sofort die Vertonung von Heinrich Schütz im Ohr haben. Der Psalmvers ist die Erinnerung daran, dass viele Menschenhände arbeiten, damit angebaut wird, was wir essen. Das Gedeihen aber liegt nicht in unserer Hand. Gott gibt Speise und was wir zum Leben brauchen.
Wenn die Apfelernte eingelagert ist, richten sich die Zweige des Baumes wieder auf. Aus dem Raum mit den Apfelstiegen riecht es herrlich nach Ernte. Der beste Apfel, den ich je gegessen habe, kam jedoch nicht aus meinem Garten. Auf einer Radtour war es viel zu spät geworden. Ich war müde und das mitgenommene Wasser lange ausgetrunken. Zum Bahnhof für die Rückfahrt musste ich mich durchfragen. Derjenige der mir den Weg schließlich weisen konnte, reichte mir einen Apfel: „Magst du den für den restlichen Weg mitnehmen?“ So gut hat kein anderer Apfel geschmeckt! „Du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit!“
Wir danken, dass Gott reichlich Gaben gibt. Dennoch warten so viele bisher vergeblich auf diese Speise. Die Not sehen wir jeden Tag. Die Not in den Kriegsgebieten, die Not der Menschen auf der Flucht, die Not bei Menschen um uns, die nicht genug haben, um gut zu leben. Ungerecht sind die Gaben verteilt! Auch daran erinnert uns das Erntedankfest: Gott hat uns gut und reichlich gegeben, wir sollen mit Freude teilen. Die in diesem Jahr verstorbene Auschwitzüberlebende Margot Friedländer hat uns den Aufruf hinterlassen „Bleibt Menschen!“ Menschen bleiben, das können wir, wenn wir teilen. Und das schaffen wir, weil Gott uns schenkt, was wir brauchen: Speise zur rechten Zeit.
Gott gibt so viel! Es ist genug für alle da, wenn wir den Dank auch als Anlass nehmen zu teilen! Ein gesegnetes Erntedankfest wünscht
Annette Lehmann, Pastorin in der Peter und Paul Kirche Schneverdingen (Kirchenkreis Rotenburg)